Evaluationsstudie

BFA
Das Bremer Frühtherapieprogramm Autismus

Grundlage des „Bremer Frühtherapieprogramms Autismus (BFA)“ ist das Bremer Elterntrainingsprogramms (BET), das von 2002–2014 vom IFA mit mehr als 50 Familien deutschlandweit sehr erfolgreich durchgeführt wurde. Das hieraus entwickelte BFA wurde zwischen 2014 und 2017 im Rahmen eines großen Forschungsprojekts, gefördert von der Aktion Mensch, evaluiert und wird seit 2017 als Förderkonzept für Familien mit jungen Kindern mit Autismus vom IFA angeboten.

Nach dem aktuellen Stand der Autismusforschung wird Autismus als neurobiologisch bedingte tiefgreifende Entwicklungsstörung klassifiziert, die pränatal beginnt und die frühkindliche Entwicklung von Geburt an – zum Teil in erheblichem Maße – beeinträchtigt. In der für die weitere Entwicklung wichtigsten Periode der frühen Kindheit ist die soziale Interaktion, die basale Mutter-Kind-Kommunikation, häufig so schwer gestört, dass die Ausbildung komplexer neuronaler Netze, die für das weitere (soziale) Lernen wichtig sind, massiv beeinträchtigt wird.

Effektive Interventionen müssen daher früh beginnen, eine hohe Intensität haben, die Eltern und das weitere soziale Umfeld einbeziehen und spezifische Methoden – insbesondere die „Autismusspezifische Verhaltenstherapie“ (AVT) – einsetzen. Mit dem BFA liegt erstmals ein den wissenschaftlichen Standards entsprechendes, auf die Lebenssituation der Familien in Deutschland abgestimmtes Frühtherapieprogramm vor.

 

Ziele  

  • Entwicklung, Durchführung und Evaluation eines evidenzbasierten Frühtherapieprogramms, dass den Kriterien der EIBI-Programmen entspricht und als „Gold Standard“ in der Frühtherapie gilt.
  • Professionalisierung der Eltern / Empowerment-Konzept

Ziel unseres Programms ist es, bei den Eltern Kompetenzen auszubauen, damit sie ihr autistisches Kind verstehen und eine befriedigende Interaktion mit ihm aufbauen können. In den Kursen des Frühtherapieprogramms lernen sie die Grundprinzipien der Verhaltensanalyse und der Autismusspezifischen Verhaltenstherapie kennen. Sie wissen, wie sie in Einzellernsituationen mit ihrem Kind arbeiten können. Sie werden zu kompetenten Therapeuten ihrer Kinder, also zu „Parent-Professionals“ und erleben sich so als selbstwirksam („Empowerment“). Gefühle der Hilflosigkeit, Resignation oder sogar Depression werden abgebaut.

  • Modifikation der Lebenswelt/der sozialen Interaktion des Kindes

Die Therapie findet in diesem Programm ausschließlich im Elternhaus statt („home based program“). Die bislang gestörte Interaktion wird hier – wie bei jungen gesunden Kindern – zur zentralen Lernsituation. Neu ist auch der Ansatz, das soziale Umfeld in das Programm zu integrieren, das heißt Personen, die mit dem Kind interagieren (Großeltern, Geschwister, Verwandte, Nachbarn, Erzieherinnen, Therapeuten etc.), Situationen, in denen das Kind interagiert (Spielplatz, Schwimmbad, Kindergarten, Straße, Verkehr etc.), werden ebenfalls einbezogen und trainiert.

Wesentliche Elemente

Das Bremer Frühtherapieprogramm hat folgende Essentials:

  • Früher Beginn: Kinder sind unter 6 Jahren alt
  • Arbeit nach verhaltenstherapeutischen Prinzipien (AVT)
  • Hohe Intensität („high intensive“; 30 Stunden/Woche)
  • Parent-focused: Eltern werden trainiert und zu „parent professionals“ ausgebildet
  • Home-based: Die Therapie findet in der natürlichen Umgebung des Kindes (im Elternhaus statt)
  • Eltern werden zu Gruppen von jeweils bis zu 4 Familien zusammengefasst und in Workshops gemeinsam mit den Ko-Therapeuten trainiert.
  • Initiierung von Lernprozessen in allen Entwicklungsbereichen, besonders der sozialen    Interaktion / Kommunikation

Ablauf

Das Bremer Frühtherapieprogramm besteht aus 9 Bausteinen:

  • Entwicklungsdiagnostik
    Voraussetzung für die Teilnahme der Kinder ist eine vorliegende Autismusdiagnose. Bei der Untersuchung im IFA werden die Ausprägung der autistischen Störung, Verhaltensprobleme und der momentane Entwicklungsstand mit verschiedenen standardisierten Testverfahren erhoben. Ein vom IFA speziell entwickeltes Verhaltensbeurteilungssystem gibt Auskunft darüber, in welchem Entwicklungsbereich welches Lernprogramm als nächster Schritt eingesetzt als werden sollte.
  • Workshops
    Es finden 3 zweitägige Workshops aller Eltern und Ko-Therapeuten an der Jacobs University statt, in denen die Grundlagen der autistischen Störung sowie das neurobiologische Erklärungsmodell erläutert und die Eltern und Ko-Therapeuten in die Methode AVT eingeführt sowie die Anwendung therapeutischer Strategien und Techniken zum Auf- und Abbau von Verhalten trainiert werden.
  • Haustrainings
    In zweimonatigem Abstand finden Haustrainings statt. Hier wird eine angemessene Lernsituation mit dem Kind hergestellt, Verhaltensprobleme werden analysiert und die Therapeuten und Eltern in die Lernprogramme mit dem Kind eingearbeitet.
  • Intensivtherapie
    Nach dem 1. Workshop und dem 1. Haustraining arbeiten die Eltern und Ko-Therapeuten für insgesamt 8 Monate 30 Stunden in der Woche therapeutisch in der Einzellernsituation mit dem Kind (6 Tage, je 2,5 h morgens, 2,5 h nachmittags). Jedes Kind erhält dabei etwa 10 Lernprogramme zu verschiedenen Entwicklungsbereichen. In den ersten Monaten werden vor allem die Voraussetzungen für das Lernen, wie Aufmerksamkeit, Blickkontakt, Imitation, Sprachverständnis, trainiert. Später erhält das Kind Programme zum Aufbau von Sozial- und Spielverhalten, Sprache, Selbstständigkeit etc.
  • Teamsitzungen
    Eltern und Ko-Therapeuten treffen sich 14-tägig zu Teamsitzungen. Hier werden aktuelle Programme besprochen, neue Programme eingeführt, Hinweise des Supervisors umgesetzt.
  • Haustherapie Junior
    14-tägig werden die Eltern und Ko-Therapeuten vom Junior Supervisor beraten und supervidiert.
  • Video-Interaktionstraining
    Im Abstand von 2 Monaten werden schwierige Alltagssituation von den Eltern videografiert und gemeinsam mit dem Trainer analysiert. Positive Kontaktelemente werden herausgearbeitet und gezielt verstärkt. Die Eltern erwerben Strategien, in alltäglichen Problemsituationen adäquat und kompetent mit dem Kind umzugehen und gelungene Interaktionen aufzubauen, so dass Problemverhalten reduziert wird.
  • Therapiebegleitende Supervision
    Diese erfolgt in regelmäßigen Telefonaten (wöchentlich bis 14-tägig) der Supervisoren mit den Eltern, in denen die Lernerfolge und -schwierigkeiten anhand der Datenblätter analysiert, Programme adaptiert, modifiziert, neue Programme eingeführt werden.
  • Expertenvideoanalysen
    Alle 2 Monate finden Expertentreffen statt, in denen therapeutisch relevante Situationen anhand von Videoaufnahmen analysiert und Programmmodifikationen vereinbart werden. 

Studie zur Evaluation des BFA, gefördert von der Aktion Mensch (2014–2017)